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Arcus RS lite von Swing
Bilder
27.11.2017
Innovationen im Gleitschirmbereich werden naturgemäß von allen Seiten, besonders aber von der Konkurrenz, kritisch beäugt. So auch das RAST von Swing, das mittlerweile in viele neue Swingschirme verbaut wird. Dabei ist es für unseren Sport enorm wichtig, dass Konstrukteure unsere Fluggeräte weiter entwickeln und auch den Mut haben was Neues und vielleicht auch Außergewöhnliches in die Gleitschirme zu verbauen. Häufig kommen Innovationen aus dem Hochleisterbereich. In diesem Fall war es mal andersrum. Michael Nesler, Konstrukteur bei Swing, hat das RAST ins Leben gerufen.
Erklärung von Swing zum Thema RAST. „Die Idee von RAST (Ram Air Section Technology) ist: Man unterteilt einen Gleitschirm mit einer oder mehreren Schottwänden und Ventilen in unterschiedliche Druckbereiche. Dadurch entstehen Sektionen, die sich schneller oder langsamer füllen, je nach Wunsch des Konstrukteurs. So können wir den Innendruck und damit die Stabilität und das Klappverhalten des Gleitschirms beeinflussen.
Die Umsetzung: Die Schottwand ist aus Gleitschirmtuch gefertigt und wird quer zur Flugrichtung eingebaut. Es gibt in der sonstigen Handhabung keinerlei Nachteile zu konventionell gebauten Schirmen.“
Mehr zum RAST gibt es auf der Seite von Swing http://technology.swing.de/
Die Firma Swing Flugsportgeräte GmbH war so freundlich mir einen Arcus RS lite in der Größe M für ca. 2 Monate zu Verfügung zu stellen. Ich flog das Gerät mit einem Startgewicht von 98 - 104 kg. Zum Einsatz kamen dabei verschiedene Gurtzeuge, darunter auch ein Schlaufengurtzeug.
Der Arcus RS lite ist erst mal ein ganz normaler leichter Gleitschirm. Mit 4,2 kg (4,1 kg Herstellerangaben) in der Größe M kann man erahnen, dass Swing die Leichtschraube nicht bis zum bitteren Ende angezogen hat. Zum Einsatz kamen die bereits seit vielen Jahren bewährten Tücher von Skytex mit 32 Gramm an der stärker beanspruchten Eintrittskante am Obersegel und das 27 Gramm Tuch am Rest des Flügels.
Das Bodenhandling ist denkbar einfach. Die schmalen steifen Tragegurte neigen nicht zum Verdrehen und sind, wie auch die Leinen, farblich getrennt. Die Stammleinen und die unteren Galerieleinen sind ummantelt, nur an der obersten Galerie hat Swing auf eine Ummantelung verzichtet. Das gesamte Konzept ist gut überschaubar und kommt dem Piloten bei seinen Startvorbereitungen sehr entgegen.
Beim Aufziehen macht sich das RAST zum ersten Mal bemerkbar. Der Flügel füllt sich zuerst im vorderen Bereich bis zur Schottwand sehr schnell, während der hintere Teil ab der Schottwand etwas verzögert seine endgültige Form annimmt. Auf diesem Bild gut zu sehen.
Was hat diese ungleiche Segelfüllung zur Folge?? Drei Effekte kommen hier zum Tragen. Der erste: Der schlecht gefüllte hintere Teil des Flügels bremst diesen im Steigen etwas ab und hindert ihn am Überschießen. Der zweite fast noch wichtigere Effekt ist, dass der (noch) schlecht gefüllte Teil des Flügels ein Aushebeln beim Anbremsen verhindert.
Und ein weiterer Effekt ist, dass der Flügel bei null oder Rückenwind annähernd genauso gut steigt wie bei optimalen Windverhältnissen. Wie kommt das denn eigentlich zustande?? Es ist denkbar einfach. Ein Flügel steigt erst dann gut, wenn seine Nase prall mit Luft gefüllt ist und diese die richtige Form hat. Dieser Vorgang wird durch die Schottwand erheblich beschleunigt.
Aber keine Angst, der Startlauf verlängert sich durch die Schottwand nicht. Ganz im Gegenteil, der Anstellwinkel bleibt mit RAST auch bei Rückenwind höher und der Startlauf verkürzt sich dadurch sogar.
Bläst der Wind ordentlich am Startplatz, hat man die Wahl: Entweder man stellt den Flügel auf die Hinterkante und füllt ihn nahezu vollständig auch hinter der Schottwand, oder man verhindert eine vollständige Füllung ab der Schottwand indem man die Bremsen und/oder die hinteren Tragegurte heranzieht. Bei vollständiger Füllung des Flügels wird das System RAST für den Start nahezu ausgeschaltet, der Flügel steigt deutlich schneller und muss auch im Scheitelpunkt angebremst werden und auch alle anderen sich positiv auswirkenden Effekte beim Start werden durch die vollständige Füllung außer Kraft gesetzt.
In der Summe kann man sagen, dass der Arcus RS lite ein sehr ausgewogenes Startverhalten hat und selbst der wenig geübten Starter kaum überfordern wird, auch bei nicht so guten Windverhältnissen.
In der Luft fällt sehr schnell auf, dass der Arcus RS lite nicht zu den Acrospaßflügeln gehört, sondern zu den Gleitschirmen mit denen man Spaß am Thermik und Streckenfliegen hat. Die Dämpfung ist um alle Achsen ist hoch, was dem direkten Handling jedoch nicht schadet. Der Flügel reagiert sofort auf Bremsimpulse des Piloten. Um etwas schneller um die Ecke zu kommen, muss der Bremseneinsatz aber mit Körpergewicht unterstützt werden.
Thermikfliegen ist mit dem Arcus RS lite ein Genuss. Beim Einfliegen in die Thermik bleiben nervige Nick und Aufstellbewegungen völlig aus, erst beim Einfliegen in sehr starke Thermik wird der Flügel zum Anbeißer und muss kurz etwas angebremst werden.
Der Arcus setzt Bremsimpulse präzise um. Dies kann sich der Pilot in der Thermik bestens zunutze machen. Das Feedback über die Tragegurte ist recht gut, über die Bremse kommuniziert der Flügel etwas schlechter, was möglicherweise mit dem RAST zu tun hat. Sonst wird der Normalpilot im Fluge vom RAST nicht sehr viel merken. Erst bei bockigen Verhältnissen ist eine bessere Dämpfung spürbar. Allerdings ist dies auch vom Gurtzeug abhängig. Die Flachdreheigenschaften des Flügels sind exzellent. Es sind keine Tricks notwendig um den Flügel flach im thermischen Aufwind zu drehen. Die Steuerkräfte sind in den ersten 20 Zentimetern eher gering, nehmen dann aber deutlich zu. Der Arcus RS lite benötigt beim Drehen nur wenig Bremse, das bedeutet, dass der Arbeitsbereich meist im leichtgängigen Bereich liegt.
Sehr gute Eigenschaften besitzt der Arcus RS lite auch im beschleunigten Flug. Die Eintrittskante dellt zwar zwischen den Zellwänden ganz leicht ein, dies hat jedoch keine negativen Auswirkungen auf den beschleunigten Flug. Es vibriert oder flattert im Vollspeed nichts und die Spurtreue ist wie beim Start und beim Normalflug hervorragend.
Nun kommen wir zum spannenden Teil, den Klappern. Etwas überrascht hat mich, dass man den Arcus RS lite trotz RAST problemlos über die Hälfte der Hinterkante zum Kollaps bringen kann. Der Grund dafür liegt zum einen an seiner Größe bzw. der daraus resultierenden geringeren Flächenbelastung, aber hauptsächlich an der Größe der Zellen. Große Zellen haben ein deutlich größeres Ballooning als kleine. Bei einem Apus 18 schaut es mit meinem Startgewicht so aus, dass ich keine Chance hatte die Hinterkante auf einer Länge von 50% zu deformieren. Nichts desto trotz, hat das RAST auch in Kappen mit größeren Zellen seine Berechtigung. Bei einem Flug Mitte Oktober in Südtirol, mit noch ausgezeichneten thermischen, aber teils sehr bockigen Bedingungen, konnte ich den Arcus RS lite nochmal gut testen. Der Flügel erwies sich in der turbulenten Luft als sehr stabil. Mit provokant inaktivem Flugstil, war es mir dann doch gelungen, den gewünschten Klapper zu kassieren. Die Knicklinie war dabei extrem flach und die Hinterkante blieb dabei fast vollständig stehen. Wie sowas aussehen kann zeigt dieses Kurzvideo. Möglicherweise hätte der Pilot hier ohne RAST alt ausgesehen, denn eine Reaktion von ihm ist nicht erkennbar.
Wird der Knickwinkel steil und bricht auch die Hinterkante weg, wird der Flügel dynamischer und reagiert EN/LTF - B typisch. Das Öffnungsverhalten ist durchwegs schnell. Durch die Stäbchen in der Eintrittskante bleiben allerdings die äußeren Zellen gerne mal hängen und müssen rausgepumpt werden. Bei größeren Klappern rollt bei der Öffnung die Gegenseite gelegentlich etwas ein.
Noch deutlicher wird das Bild bei dem mittlerweile zum Problem gewordenen Frontstall. Beim symmetrischen Frontstall kollabiert der Flügel bis zur Schottwand, der hintere Teil bleibt dabei meist noch gut gefüllt. Dadurch bleibt der Schirm stabil und knickt nicht um die Hochachse zur Front- oder Negativrosette ab. Hierzu gibt es Bilder auf der Herstellerseite die deutlich die Effektivität des RAST beim Frontstall zeigen.
Für die Einleitung in die Steilspirale braucht der Arcus RS lite durch die hohe Dämpfung etwas Zeit. Der Flügel taucht in 1 ½ bis 2 Umdrehungen gemächlich in die Spirale ab. Die Sinkgeschwindigkeit kann deutlich über 14 m/s gesteigert und gut über die Bremse dosiert werden. Die Ausleitung der Spirale ist einfach.
Die B-Stall Einleitung erfordert mittleren Kraftaufwand. Das Abkippen nach hinten ist erstaunlich gering. Die Sinkgeschwindigkeit lag bei meiner Flächenbelastung bei 9 m/s. Die Kappe bleibt bei diesem Manöver absolut ruhig und hat keine Tendenz sich zu verbiegen auch wenn die Tragegurte weiter nach unten gezogen werden. Vielleicht auch ein positiver Einfluss des RAST was ich mir durchaus vorstellen kann. Bei zügigem Ausleiten nimmt der Schirm unverzüglich Fahrt auf, auch die Nickbewegung ist dabei eher gering. Sackflugtendenz gibt es beim Arcus RAST keine.
Resümee: Einen negativen Einfluss der Schottwand, vom etwas höheren Gewicht des Flügels einmal abgesehen, konnte ich nicht erkennen, ganz im Gegenteil. Auch wenn die Schottwand bei großen Zellen nicht ganz die Klappresistenz erzeugt wie bei kleinzelligen Schirmen, so trägt sie auch beim Arcus RS zu mehr Sicherheit in so manchen kritischen Fällen bei. Für mich ist diese Erfindung ein Schritt in die Richtung, das Gleitschirmfliegen wieder etwas sicherer zu machen. RAST steht im Grunde ja erst am Anfang. Für den Konstrukteur und dem Hersteller ist es sicherlich eine große Herausforderung RAST weiter zu entwickeln und zu optimieren.
Das RAST beim Arcus RS lite wird die eine oder andere Extremsituation beim Fliegen abschwächen oder sogar verhindern. Man muss sich aber auch im Klaren sein, dass man trotz RAST auch mal einen großflächigen Klapper kassieren kann. Schon alleine die Bauvorschriften lassen es nicht zu, einen Schirm zu bauen den man nicht ins geforderte Messfeld klappen kann. Der normal talentierte Pilot wird aber auch dabei keine Probleme haben. Die Zukunft wird zeigen, was RAST bringt und was entwicklungstechnisch noch alles möglich ist.
Fliegen ist mit dem Arcus RS lite vom Anfang bis zum Ende eines Fluges eine feine Sache. Die gedämpfte Dynamik beim Start mag zwar nicht jedem Piloten gefallen, hat aber gerade bei extremen Verhältnissen durchaus seine Vorteile.
Das ausgewogene und unkomplizierte Kurvenverhalten, sowie die gute Steigleistung in der Thermik machen das Kurbeln zum Genuss, auch die Gleitleistung des Flügels ist überzeugend.
Weitere Infos zum Arcus RS lite gibt es auf der Seite von Swing Flugsportgeräte GmbH
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