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  XXLite


XXLite von Ozone

Text und Bilder:

Sebastian Kummer

03.12.2012

Der Schirm

Sofort nachdem das Paket von der Flugschule Hochries ankam, - Danke für die gute Beratung und die schnelle Lieferung - habe ich es geöffnet und den Schirm gewogen. Es hat mich schon sehr interessiert, ob das unfassbar niedrige Gewicht stimmt.
Zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich einen Gleitschirm auf meiner Briefwage wiegen. Die gemessenen 1,38 kg stimmen im Rahmen der Messgenauigkeit bzw. Feuchte und Fertigungstoleranz sehr gut mit den Angaben von Ozone überein. Dieses Gewicht für einen ausgewachsenen Gleitschirm, hier sogar noch der größere 19er, ist wirklich eine Sensation.
Verpackt ist der Schirm in einem leichten Innenpacksack und einem kleinen 26l Leichtrucksack. Der Rucksack sieht recht funktionell aus. 26l Rucksackvolumen sind nicht viel aber die kleine XXLite Kappe braucht davon nur eine gute Hälfte. Kompakt gepackt passt der Schirm in den Packsack eines Schlafsacks.
Damit kann man die Flugausrüstung in jeden kleinen Tagesrucksack stecken. Es ist manchmal angenehm, wenn man nicht schon vom Weiten als Gleitschirmpilot erkannt wird.
Wenn man den Schirm aus dem Packsack holt, denkt man anhand der Größe und des Gewichts eher an einen Kite. Es ist dann schon verwunderlich, wenn dann ein richtiger Schirm mit ausgewachsener Spannweite vor einem liegt.
Ozone hat hier wirklich ganze Arbeit geleistet und ist gleich beim ersten käuflich zu erwerbenden Schirm dieser Bauart an die Grenzen der Konstruktion gegangen. Hochachtung vor den Entwicklern!
Die Tragegurte und auch die Bremsgriffe sind wirklich auch minimalistisch. Da die Tragegurte nur zwei Leinen in V-Anordnung sind, funktioniert das Handling ganz OK. Sicher wird man mit dem Schirm auch mal mit verdrehter Bremse starten aber das sollte kein großes Problem sein.
Der Spleiß der Leinengabeln und die Anlenkung an die „Rippen“ sind äußerst filigran. Das erinnert schon sehr an fortgeschrittene Modellbauarbeiten. Gut zu wissen, dass der Schirm den Lasttest bestanden hat.
Im Bereich der Vorderkannte ist das Segel etwa 20cm auf die Unterseite gezogen und auch im Bereich der Hinterkannte sind in der Flügelmitte etwa 40cm Doppelsegel. In diesen Kammern vorne und hinten kann sich die Luft beim Start und im Flug gut fangen und den Flügel stabil halten.
Zu der Größe der Öffnungen an der Eintrittskannte und den Schmutzauslassöffnungen ist nicht viel zu sagen ;-)

Start

Wichtig ist, dass vor dem Start die feinen Leinen so ausgebreitet werden, dass diese sich nicht mit den Rippen oder dem Untergrund beim Aufziehen verfangen können.
Der Start ist extrem einfach. Mit leichtem Zug streckt sich die Kappe sofort und der Schirm steigt mit dem leichtesten Windhauch hoch und wartet dann geduldig bis man sich umdreht und beschleunigt. Der Abhebepunkt ist erstaunlich früh. Ich bin bisher noch keinen Schirm geflogen, der so einfach startet.
Bereits beim zweiten Start bin ich, auch ohne Wind, rückwärts gestartet. Bewusst habe ich mich nicht ausgehangen und den Schirm schlampig hingeworfen und etwas an den Ohren gezogen. Zwei Schritte rückwärts und die Kappe füllt sich und steigt sofort hoch. Sehr, sehr einfach und angenehm!
Der XXLite ist fast ein „Selbststarter“. Gut möglich, dass sich mit den Einfachseglern die neue Startart entwickelt: Schon bei leichtem Wind und sicher auch beim Skistart kann man die Kappe in die Luft schmeißen, stabilisieren und starten.
Auch das Laufen mit geöffnetem Schirm ist super einfach. Die extrem leichte Kappe braucht nur minimalsten Wind um oben zu bleiben. Also kein Problem, in flachem Gelände auszulegen und dann mit etwas schnellerem Schritt mit geöffnetem Schirm bis zum Startplatz vorlaufen. Auch weitere kreative Startläufe werden mit dem XXLite gut gelingen.

Der Flug

Nach dem Abheben geht er nur minimalst auf die Nase um Fahrt aufzunehmen und gleitet spurtreu und deutlich besser, als man es dem keinem Päckchen bzw. einer Kappe ohne Untersegel zutraut. Beim ersten XXLite Flug freut man sich schon fast wie bei seinen ersten Gleitschirmflügen, dass diese minimalistische Konstruktion überhaupt fliegt. Alles Weitere ist Zugabe und davon kommt einiges:
Der Schirm ist wendig und sehr präzise über die Bremsen aber auch mit Gewicht steuerbar. Engere Kreise haben eher ein hohes Sinken, flachere Kreise können mit Gewichtsverlagerung nach außen geflogen werden.
Im Flug fühlt man sich wie unter einem ganz normalen Schirm und besonders erstaunlich ist, dass der gewohnte Gleitwinkelblick nahe beim von anderen Schirmen bekannten Bereich liegt und deutlich weniger nach unten korrigiert werden muss, als man es erwartet. Der XXLite hat eine Gleitzahl bestimmt über 6. Wenn die Luft auch nur sehr schwach unruhig ist, spürt man das sofort. Sicher eher unangenehm bei einem sehr turbulenten Flug, aber angenehm, wenn man jeden Hauch aufsteigende Luft mitnehmen möchte.
Die GPS Geschwindigkeit (19er XXLite mit etwa 96kg Abfluggewicht) liegt in ruhiger Herbstluft bei etwa 32 km/h. Eine gute Geschwindigkeit für einen ruhigen Flug aber vielleicht der einzige Kompromiss im Flug gegenüber modernen Schirmen. Wenn man in einem Bereich ist, in dem es runter geht oder Gegenwind ist, dauert es halt länger bis man da durch ist. Das muss bei der Planung der Flugroute gut bedacht werden.
Durch die niedrige Geschwindigkeit ist auch das minimale Sinken für einen so kleinen Schirm wirklich gut. Damit bietet der Schirm Potential für einen Aufstieg, was mit einem XXLite Flug AUF den Mont Blanc im August 2012 eindrücklich bewiesen wurde.
Das Geschwindigkeitsfenster ist klein. Die Hände sollten möglichst oben bleiben. Besonders im Landeanflug sollte man nur sehr leicht stützen wenn es turbulent ist und auf keinen Fall zu langsam unterwegs sein.

Die Landung

Auch die Landung ist sehr einfach. Die niedrige Landegeschwindigkeit ist angenehm und man hat genügend Zeit auch in unwegsamem Gelände gute Trittstellen für die Füße zu erkennen. Ich hatte bei einer Landung einen Hauch Rückenwind und so wollte der Schirm nicht hinten runter fallen. Zuerst wollte ich den schönen neuen Schirm unbedingt unterlaufen damit er hinter mir runter kommt, bis mir eingefallen ist, dass es beim XXLite kein Problem ist, wenn der Schirm mal nach vorne runter fällt, denn Kammern können ja sicher nicht platzen ;-)
Geschwindigkeit in Höhe umzusetzen erlaubt die Konstruktion nicht. Man kann mit der Bremse den Schirm langsamer machen aber dies ändert erstaunlich wenig am Gleitpfad und so ist der Boden schneller da, als man es von anderen Schirmen her gewohnt ist. Aufrechte Haltung beim Landen und der Vorsatz mitzulaufen hilft für eine gute stehende Landung.
Das zusammenpacken des Schirms ist kinderleicht, besonders weil ja keine Luft aus den Kammern gedrückt werden muss.

Sicherheit

Der XXLite hat ein gutes Sicherheitspotential gegenüber anderen Schirmen in einer besonderen Weise: Es kostet bei einer Bergtour wenig Überwindung mit diesem leichten Schirm auf einen Flug bei unsauberen Bedingungen zu verzichten und wieder runterzulaufen. Bereits der Weg zum Start hat weniger Erfolgsdruck, denn man kann ja dem Schirm nur „just in case“ mitnehmen.
Im Gebrauch sollte die leichte und filigrane Konstruktion mit Bedacht eingesetzt und die Hinweise von Ozone im Betriebshandbuch gut beachtet werden.

Das Checkintervall ist mit 1 Jahr oder 80 Stunden angegeben. Das ist weniger als bei Schirmen in konventioneller Bauweise. Bestimmt will auch hier Ozone erst mal auf Nummer sicher gehen.

Der XXLite hat keine EN/LTF, jedoch einen EN Lasttest.

Der Einsatzbereich

Der XXLite ist bestimmt kein „für jede Gelegenheit“ Einzigschirm. Dafür ist er zu filigran und es gibt sicher einige Tage an denen man mit einem anderen Schirm gut fliegt aber sich unter dem XXLite sehr unwohl fühlen würde bzw. sogar schon unsicher unterwegs wäre. Er ist ein idealer Zweitschirm für alle, die gerne Wandern, Bergsteigen und die, die immer gerne einen Schirm „in der Hosentasche – just in case“ haben. Er deckt ein Einsatzspektrum ab, das mit einer klassischen Flugausrüstung kaum möglich ist. Hier ein paar schöne Erlebnisse mit dem XXLite, die ich mit meiner Standardausrüstung kaum erlebt hätte:

  • Eine Wanderung mit einem Freund auf einem Berg der nicht als Gleitschirmberg bekannt ist. Die 2 kg Flugausrüstung habe ich gerne auf Verdacht mit auf den Gipfel genommen. Oben eine kleine Wiese nach hinten ausgerichtet, direkt darunter Latschen. Bei null Wind startete der XXLite perfekt und die gute Gleitzahl hat mich mit sicherer Höhe um den Berg zum Ausgangspunkt geführt.
  • Bei einer Flugreise habe ich den XXLite unten in meine Reisetasche gepackt. Das ist ein Volumen von etwa zwei Paar Schuhen – also überhaupt kein Thema. Gut zu wissen, dass man immer eine Flugausrüstung dabei hat.
  • Bei einer anderen Wanderung verlief der Weg am Hang entlang über eine Steilstufe von nur 50 Höhenmetern. Der bereits vereiste Weg wäre sehr schwierig begehbar gewesen. Statt dessen ein kurzer Aufstieg bis zu einer Wiese und dann ein Flug über die Steilstufe. Das geht sicher auch mit jedem anderen Schirm auch aber keiner meiner bisherigen Schirme war so unkompliziert zu starten und wieder einzupacken. Mit dem leichten XXLite im Rucksack geht man endlich auch wieder gerne Wege, die nicht primär zu einem Startplatz führen.

Somit ist es sicher, dass XXLite Besitzer am Jahresende einige schöne Flüge mehr in ihrem Flugbuch haben. Das werden keine Streckenrekorde oder Starkwind-Soaringflüge sein. Aber es sind mit großer Sicherheit einige unvergessliche schöne Gleitflüge bei ruhiger Luft nach einem Aufstieg zu Fuß dabei. Walk&Fly beugt als Bewegungsportart ohne Zweifel Herz-Kreislauferkrankungen vor. Jetzt gibt es keine Ausreden mehr „gesund“ zu fliegen J

Der Preis

Der offizielle VK für den 19er XXLite ist EUR 2.200,-. Mein erster Gedanke war, als ich das kleine Päckchen in der Hand gehalten habe, dass das schon ne Menge Geld für so wenig Stoff ist.
Mit dem zweiten und dritten Gedanken hat sich das aber relativiert.
Der zweite Gedanke hat mich daran erinnert, dass bei Rennrädern und MTBs es besonders am Ende des Geichtsparens besonders teuer wird. Das der XXLite gerade mal die Hälfte eines leichten konventionellen Bergsteigerschirms wiegt ist schon ein Wort.
Und zum Dritten muss ich zugeben, dass ich einen echt großen Respekt vor den Entwicklern habe. Wenn man sich Bilder - auch die der ersten XXLite - genau ansieht und die z.B. die Taschen an der Hinterkante oder die Leinenanlenkung der A- Gabeln beim XXLite genauer betrachtet, wird klar, dass am XXLite viel gearbeitet und optimiert wurde. Der Schirm ist bestimmt keine Kopie eines frühen Prototyps und schon gar nicht eines früheren Einfachseglers. Es sieht sehr danach aus, als ob es einige Iterationen gebraucht hat um ein so neues Konzept zur Reife eines verkaufbaren Gleitschirms zu entwickeln.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass es bald mehrere Einfachsegler erwerbbar sein werden. Vielleicht entwickelt sich ja der Preis dann noch nach unten und damit wird der Ruck für den Erwerb eines Zweitschirms kleiner.

Fazit

Das ist der Start einer neuen Generation von Gleitschirmen. Das Gewicht ist sensationell niedrig. Unter 2kg für ein eigenes „Flugzeug“ im Rucksack – wer hat davon nicht auch schon geträumt. Der XXLite und ein Leichtgurtzeug im Tagesrucksack und schon sieht man die Landschaft mit anderen Augen. Der leichte und kleine Schirm mit dem radikal neuen Konzept startet, fliegt und landet – und das sogar gut!

Anmerkungen von Ozone

Da die Konstruktion des Schirms so radikal anders ist als alle meine bisherigen Schirme und da der Schirm bei jeder halbwegs fliegbaren Gelegenheit mit dabei sein soll, so auch an feuchten Tagen, habe ich mir Gedanken gemacht, wie der XXLite sich wohl bei Nässe verhält. Diese Frage und noch zwei weitere habe ich über Konny Konrad (Vertrieb für D und A) an Ozone gestellt. Bereits am nächsten Morgen hatte ich eine ausführliche Antwort von Luc Armant himself (http://www.flyozone.com/paragliders/en/team/people/luc-armant/). Das nenne ich perfekten Support. Neben den Antworten hat er weitere Hinweise gegeben, die bereits in das Handbuch mit aufgenommen sind. Hier die übersetzten Antworten und Hinweise.

Zum Thema Feuchtigkeit schreibt Luc Armant:

Wir haben keine Kenntnis über ein Feuchtigkeitslimit bezüglich der Flugeigenschaften. Das Problem mit hoher Feuchtigkeit und Nylon ist, dass Nylon viel Wasser aufnehmen kann. Dabei verdoppelt sich beinahe das Gewicht, die Abmessungen werden größer und es ist weniger stabil. Aerodynamische Probleme wurden im Flug durch Tröpfchen auf dem Stoff, nicht aber durch die Feuchtigkeit des Stoffes beobachtet. Um ehrlich zu sein haben wir den XXLite nicht in starkem Regen geflogen, nur in Nieselregen. Natürlich empfehlen wir den XXLite nicht im Regen zu fliegen, wie bei jedem anderen Schirm auch.

Wichtig ist, dass der Schirm, wenn er nass geworden ist, in einem trocknen Raum gut ausgebreitet getrocknet wird. Das Gute an dem XXLite ist, dass keine Feuchtigkeit in Zellen eingeschlossen ist und daher er recht schnell trocknet. Einige Stunden in einem trockenen Raum sollten reichen. Schlecht ist es, feuchten Stoff für längere Zeit zu lagern. Dabei verliert der Stoff an Festigkeit.

Insgesamt gibt es kein Unterschied beim XXLite bezüglich der Feuchtigkeit gegenüber einem klassisch gebauten Schirm.

Ich habe Ozone auch gefragt, ob sie planen den XXLite mit verschiedenen Leinenfarben auszuliefern. Dazu schreibt Luc Armant:

Wir planen nicht unterschiedliche Leinenfarben zu verbauen. In der Reihe der Edelried 8000U Leinen empfanden wir die roten Leinen als die, die eine am besten sichtbare Farbe über verschiedenen Bodenarten haben.

Der XXLite wird mit einem Leichtrucksack mit offenem Gitter im Rückenteil ausgeliefert. Ich habe Ozone gefragt, ob Schweiß ein Problem für den Schirm sein kann. Dazu die Antwort:

Um ehrlich zu sein wissen wir nicht wirklich ob Schweiß ein Problem ist. Wir haben in vielen Jahren kein Problem gesehen aber um sicher zu sein sollte der Flügel während der Wanderung in seinem Innenpacksack sein. Der Innenpacksack schützt den Schirm von möglichen aggressiven Bestandteilen im Körperschweiß.

Zusätzliche Hinweise: Der XXLite ist ein sehr spezieller Flügel dessen Rippenstruktur sehr viel exponierter für Beschädigungen ist. Daher sollte hier mit besonderer Sorgfalt vorgegangen werden. Man sollte auf jeden Fall:

  • Den Schirm nicht über den Boden ziehen, wenn die Unterseite (z.B. nach einem Startabbruch) auf dem Boden liegt. Das gilt ganz besonders bei steinigem Untergrund.
  • Vor dem Start sicherstellen, dass die Leinen nicht in den Rippen verhangen sind
  • Keinen Kunstflug, besonders Full Stalls, machen um ein Verhängen zwischen Leinen und Rippen oder Segel zu vermeiden

Links

Ein schöner Film von einem XXLite Testival in der Schweiz: http://www.youtube.com/watch?v=DZ6-DpS0bDw

Ein Film der zeigt, wie leicht der Schirm startet und zu halten ist: http://www.youtube.com/watch?v=xkQRden0y2Q&feature=related

Dieser Film zeigt das Extremflugverhalten. Da wird ein 16er recht hart rangenommen und muss einige Manöver fliegen die im normalen XXLite Einsatz eher nicht vorkommen. In wie weit ein Fullstall relevant ist, muss jeder selber entscheiden. Ein Acroflügel bei dem man aus einem misslungenen Manöver sich mit einem Fullstall befreien muss ist der XXLite mit Sicherheit nicht.
http://www.youtube.com/watch?v=gnN7JADnnLQ